Titel: „Wir haben davon nichts gewusst. Schattenarchiv Nr. 1“
Vasco Kintzel 2023
9 Fotografien
„Wir haben davon nichts gewusst.“ reflektiert auf vielschichtige Weise die Geschichte, das Erbe und die Unwissenheit in Bezug auf die Zeit des Nationalsozialismus in den Familien in Deutschland. Das Werk besteht aus einem Foto, das einen Taschenkalender aus dem Jahr 1945 zeigt. Um diesen Taschenkalender herum sind arrangierte Haushaltsgegenstände zu sehen, darunter Vorlegelöffel, Zuckerzange, Sahnelöffel, Kaffeelöffel und eine Gebäckzange. Zusätzlich sind zwei Taschenuhren in die Komposition integriert. Die Gegenstände sind nicht zufällig ausgewählt. Es sind Stücke, die aus gehobenem bürgerlichem Hause stammen. Es gibt diese Gegenstände doch in fast allen deutschen Haushalten – aber wir können uns nicht an die Zeit erinnern, in der sie gebraucht wurden?
Ist Unwissenheit über die Ereignisse jener Zeit wirklich möglich oder ist es eine bewusste Entscheidung, nichts zu wissen? Es fordert den Betrachter, die Geschichte und die Verantwortung der Gesellschaft für vergangene Ereignisse zu hinterfragen. Es erinnert daran, dass das, was oft als Unwissenheit dargestellt wird, möglicherweise mehr mit Verschweigen, Verdrängung oder aktiver Ignoranz zu tun hat. Besonders dann, wenn diese Gegenstände an die nächste Generation weitergegeben werden.
Die öffentliche Erinnerungskultur ist medial präsent. Die Repräsentanten unseres Staates erinnern und gedenken.
Innerhalb der Deutschen Familien herrscht hingegen eine Erinnerungs-Lücken-Kultur, die durch Vergesslichkeit, Leugnung und Verdrängung gekennzeichnet ist. Schließlich behaupten rund 95% der Deutschen, keine Nazis in der eigenen Familie gehabt zu haben. Nur 1% der Befragten Familien bestätigt, dass es einen überzeugten Nazi unter ihren Vorfahren gegeben hat.* War das wirklich so oder gibt es keinen wirklichen Willen zur Aufarbeitung?
Eine Box neben den Fotografien gibt auf Knopfdruck über 100 aufgezeichnete stereotype Aussagen wieder, mit denen der Vergangenheit innerhalb der Familien heutzutage begegnet wird.
* Aus der Studie: „Opa war kein Nazi. Nationalsozialismus und Holocaust im Familiengedächtnis“ von H. Welzer, S. Moller, K. Tschuggnall